Amsel, Drossel, Fink und Star: Es gibt Arten, die kann man erwarten, wenn man das Vorhaben angeht, ein Jahr lang Vögel zu beobachten und zu dokumentieren. Doch dann gibt es auch Überraschungen: eine Art, mit der man nie und nimmer gerechnet hat. Eine solche sensationelle Sichtung ist mir diese Woche völlig unverhofft gelungen.
Die genauen Routen von Vögeln zu erfahren ist schwierig. Beringungen können dazu dienen, Vögel bestimmten Flugstrecken zuzuordnen – wenn man sie denn wiederfindet. Wo sie sich aber genau aufhalten, darüber geben nur Methoden Aufschluss, die den Standort direkt übermitteln, z.B. mithilfe eines Senders, der ein GPS-Signal aussendet. Auf solche Weise sind in Europa hunderte Vögel ausgestattet. So lassen sich dann die Standorte verfolgen und die Routen nachvollziehen – auch per App für jeden sichtbar, z.B. mit Animal Tracker.

Es ist erstaunlich, was dabei ans Tageslicht kommt: Vögel kommen weiter herum als man denkt. Und sie suchen dabei Gegenden auf, in denen sie eigentlich gar nicht vorkommen. Am Montag erreichte mich die Nachricht, dass ein solchermaßen besenderter Habichtsadler auf dem Anflug nach Franken ist. Eigentlich ist diese Art im Mittelmeerraum zuhause. Der besenderte Vogel wurde 2019 in Südfrankreich geboren. Offenbar machte er eine Tour durch Mitteleuropa und war zuvor in Norddeutschland, Polen und Tschechien gewesen.
Die beste Möglichkeit, einen durchziehenden Greifvogel zu erwischen, besteht am Schlafplatz. Dort ist der Vogel zwar nicht direkt zu finden, wenn man aber die Gegend am Morgen beobachtet, sieht man ihn starten. Am Dienstagmorgen kam eine Nachricht, der Vogel sei am Hesselberg. Das ist zu weit, dachte ich mir, und hatte die Sache schon abgehakt. Doch dann die Berichtigung: Hesselberg bei Heßdorf! Sofort machte ich mich auf den Weg, rechnete mir wegen der forttgeschrittenen Uhrzeit aber kaum noch Chancen aus. Vor Ort waren schon zahlreiche Beobachter aus ganz Deutschland versammelt – Habichtsadler werden bei uns nur äußerst selten gesehen. Und tatsächlich! Kaum war ich da, startete der Adler nordöstlich des Ortes – offensichtlich auch eher ein Langschläfer wie ich. Beeindruckend war der Größenunterschied zum viel kleineren Mäusebussard! Er drehte eine Runde über dem Ort, und zog dann nach Süden ab.

Ich hatte überhaupt nicht mit der Sichtung gerechnet! Am nächsten Tag war die gesamte lokale Orni-Szene in Aufruhr und versuchte, den Adler am nächsten mutmaßlichen Übernachtungsplatz bei Weisendorf zu erwischen. Doch offenbar waren diesmal die Positionsdaten nicht aktuell, so dass keine erneute Sichtung gelang.